Kleines ABC des Familienstellens

Die Texte sind meinen Einladungsmails zu den einzelnen Aufstellungsworkshops entnommen. Gern schicke ich Ihnen auf Nachfrage diese Mails monatlich zu.

Die Texte öffnen sich durch Anklicken.

A – wie Ahnen

Bert Hellinger hat die Aufstellungsarbeit vor etwa dreißig Jahren zu entwickeln begonnen. Zuvor, als Missionar im Zululand in Südafrika arbeitend, hatte er beobachtet, wie die Zulus, wenn einer der Ihren von einer schweren Krankheit heimgesucht wurde, Kontakt zu seinen Ahnen aufnahmen und ermittelten, ob es einem oder mehrern von ihnen nicht gut ging, ob sie zornig waren, ob es etwas zu bereinigen oder gutzumachen gab. Dieses Erlebnis hat einen tiefen Eindruck auf Hellinger gemacht und großen Einfluß auf seine Arbeit gehabt.
Wenn wir heute Familien stellen, weil es jemandem von uns schlecht geht, schauen auch wir in der Aufstellung unter anderem, ob im Familiensystem, bei den Vorfahren und Ahnen die Ordnung gestört ist: Sind alle, die dazugehören da, gesehen, geachtet und an ihrem rechten Platz? Ist ein Unrecht gefühlt und ausgeglichen? Ist ein zu früh Verstorbener ausreichend betrauert und gewürdigt worden? ...
Auch wir haben die Möglichkeit, im System der Ahnen etwas zu bereinigen, gutzumachen, zu vervollständigen, indem wir für sie und mit ihnen sehen, fühlen, weinen, aussprechen und tun, was bisher gefehlt hat. Wenn die Ahnen in Frieden kommen, werden die Nachfahren frei für ihr Leben.

B – wie Bindung

Durch und seit unserer Geburt sind wir gebunden. Eingebunden in ein ein System von Menschen, die vor uns da waren und deren Leben und Lieben dazu geführt hat, dass wir existieren. Dieses System und unsere Bindung daran haben wir uns nicht ausgesucht. Ob es ein System ist, in dem vor allem Fülle und Leichtigkeit gelebt werden oder eines, in dem Schwere und Leid die Oberhand haben- wir sind an es gebunden und erleben diese Bindung in der Tiefe als unschuldiges und glückliches Dazugehören, selbst wenn dieses Dazugehören mit persönlichem Leid einhergehen sollte..
Ein Kind, dessen Eltern und Großeltern ein schweres Schicksal erlitten haben, kann es sich oft unbewusst nicht uneingeschränkt gut gehen lassen – so wie die Eltern es sich doch für ihre Kinder wünschen! – zu tief ist die Bindung an das Schicksal der Sippe. Es gehört viel Mut dazu, die Vorfahren und ihr Schicksal anzuschauen, zu ehren und sich zu trauen, es sich besser gehen zu lassen als sie. Durch Familienstellen kann dieser Schritt möglich werden.

C – wie China

In der Aufstellungsarbeit geht es immer wieder darum, ins Reine zu kommen mit denen, die vor uns da waren, mit dem, wo wir herkommen, um frei zu werden für das eigene Leben, die eigenen Ziele und Vorhaben. Ins Reine kommen meint hier nicht, dass alles Vergangene bearbeitet, verziehen und gutgemacht sein muss – das ist ja oft ohnenhin nicht möglich. Es meint, dass wir unsere Herkunft mit allem was dazugehört – Schönem und Kraftvollem, aber auch mit dem Schweren und sogar Schlimmen – in uns aufnehmen und Ja dazu sagen.
Wenn Menschen ihr Heimatland verlassen, um anderswo ihr Glück oder auch nur das Überleben zu finden, gibt es ihnen Kraft, ihr Mutterland im Herzen zu tragen und damit am neuen Ort zu leben. Selbst für die Kinder von Einwanderern hat das Herkunftsland der Eltern in der Seele noch eine große Bedeutung, auch wenn sie es noch nie besucht haben. In Aufstellungen kann man erleben, wie Menschen Kraft bekommen, wenn sie ihr Heimatland oder das ihrer Eltern mit Achtung und Dankbarkeit anschauen und dieses Land dann hinter ihnen steht, wenn sie in ihr Leben gehen.

D – wie dazugehören

Eines der Gesetze in menschlichen Familien-Systemen ist, dass jeder, der zu dieser Familie je gehört hat, wie erfolgreich oder erfolglos auch immer er sein Leben gelebt hat, seinen Platz im System behalten darf und muss. Ob guter oder schlechter Mensch, klein oder groß, ganz jung gestorben oder uralt geworden, hingebungsvoll für Andere sorgend oder eigenbrödlerisch, der Stolz der ganzen Familie oder Jemand, für den sich alle schämen – die Familienseele fragt nicht nach gut oder böse, sie strebt nach Vollständigkeit (im Fall von schweren Verbrechen kann es hier Ausnahmen geben). Sie ist im Frieden, wenn alle dabei sind. Wenn ein vermeintlich „Schlechter“ oder „Peinlicher“ vergessen, verschwiegen oder ausgestoßen wird, verhalten sich Nachfahren später manchmal so, als wollten sie mit ihren eigenen Taten und Verhalten an diesen Vergessenen erinnern.

E – wie eingreifen

Die Aufstellungsarbeit ist erst etwa 30 Jahre alt und hat sich in dieser Zeit rasant verbreitet und auf eine wunderschöne Weise weiterentwickelt. Hat vor einigen Jahren noch der Therapeut im Zentrum des Geschehens gestanden, die Stellvertreter befragt und bewegt, heilende Sätze vorgegeben und Rituale angeregt, so ist heute bei vielen langjährig arbeitenden Aufstellern etwas zu erleben, was unter dem Begriff „Bewegungen der Seele“ zusammengefasst wird. Es bedeutet, dass die  Stellvertreter in der Aufstellung gesammelt und in Stille ihren inneren Bewegungen folgen, so wie das aufgestellte System sie auf wundersame Weise führt. So findet das System über viele Zwischenschritte oft ganz ohne ein Eingreifen des Therapeuten oder mit nur minimalen Interventionen selbst eine heilsame Lösung. Für die Außenstehenden und die Stellvertreter mutet das wie ein Wunder an, und es ist ein Geschenk, es miterleben zu dürfen. Die Aufstellungsarbeit ist dadurch leichter und tiefer zugleich geworden, die Wahrheit dringt ungehinderter ans Licht.

F – wie fühlen

Wenn im Leben eines Menschen ein traumatisches Ereignis passiert, das in diesem Moment viel zu groß, zu unfassbar, zu schwer ist, um es zu fühlen, werden die nicht gefühlten Gefühle eingefroren. Der Mensch kann so überleben, aber gleichzeitig wird auch ein Stück Lebendigkeit und Lebenskraft eingefroren. Die Kinder und Enkel sind mit dem Schmerz des Ahnen oft in Verbindung, sind entweder ebenfalls in Fühllosigkeit gefangen oder haben schlimme Gefühle, die sie ihrem eigenen Leben nicht zuordnen können.
Im Familienstellen werden alte, manchmal jahrzehntelang zurückliegende Traumata berührt und geöffnet, der Schmerz wird von den Stellvertretern auf oft dramatische Weise gefühlt, Tränen fließen – und Lebendigkeit kommt in das System des Aufstellenden zurück.

G – wie Geben und Nehmen

In ebenbürtigen Beziehungen gibt es ein ständiges Spiel von Geben und Nehmen, und ein unsichtbares Gewissen drängt uns immer wieder neu zum Ausgleich. Wenn wir etwas Schönes bekommen haben, drängt es uns, etwas zurückzugeben. In Liebesbeziehungen z.B. gibt man oft und gern mehr zurück, als man bekommen hat, und nun ist der andere der Beschenkte und sucht einen Weg, zurückzugeben, meist ebenfalls ein bisschen mehr. So wächst der Austausch von Nehmen und Geben und mit ihm die Beziehung.... 
(Bei einem Einkauf dagegen geben wir mit dem Geld etwas genau Gleichwertiges zurück, damit ist die Beziehung rasch beendet und wir können mit der Ware ruhig nach Hause gehen.) Es gibt auch Beziehungen, in denen ein Ausgleichen nicht möglich ist – z.B. zwischen Eltern und Kindern, zwischen Lehrern und Schülern oder zwischen Gesunden und Kranken. Hier gibt es glücklicherweise andere Möglichkeiten, z.B. das Weitergeben an Dritte, z.B. das von den Eltern Erhaltene an die eigenen Kinder weiterzugeben, oder auch ein ganz tiefes und aufrichtiges Dankbarsein.

H – wie Hinwendung

Wenn Menschen sich auf die Suche nach Heilung begeben, begegnen ihnen zwei voneinander verschiedene Wege, schwere Gefühle zu bewältigen: Auf dem einen Weg bewegt sich der / die Suchende eher weg vom Problem. Positives Denken, stärkende Affirmationen, die Entwicklung neuer Visionen und Lebensstrategien stehen im Zentrum dieser manchmal lebensrettenden Bewegung. Auf dem anderen Weg wendet sie / er sich all dem Schweren, Beängstigenden, Schmerzhaften ganz zu. Nur ein Schmerz, der gefühlt, gesehen und genommen wurde, kann sich in der Tiefe wirklich und dauerhaft auflösen.
Im Familienstellen gehen wir hauptsächlich mit dieser zweiten Bewegung, öffnen die Augen für die blinden Flecken im System, geben dem Schweren Raum ans Licht zu kommen, gesehen, gefühlt und oft auch beweint zu werden. So kann nicht nur in der Seele der /des Einzelnen etwas heil werden, sondern zugleich auch Frieden in das gesamte System kommen.

I  – wie Im Dienst

Wenn wir Familiensysteme aufstellen, bekommen wir manchmal einen tiefen Blick oder ein Gefühl dafür, dass alle Menschen, die in einem System wirken, von einer höheren Bewegung oder Macht in den Dienst genommen werden und ihr dienen, meist ohne es bewusst wahrzunehmen. Gerade auch die „bösen Rollen“ werden im Dienst des „Stückes“ gespielt.
Wenn man z.B. eine Außenbeziehung zu einer bestehenden Partnerschaft aufstellt, kann man oft deutlich sehen, dass sie der bestehenden Beziehung dient, indem sie eine Lösung herbeiführt, die das Paar ohne diese dritte Person nicht finden konnte, z.B. in Richtung einer neuen Qualität oder auch in Richtung einer Trennung. Manchmal gibt die dritte Person einem der Partner auch über längere Zeit etwas Wichtiges, was der in der Beziehung nicht finden konnte, und dient damit dem Fortbestehen der Beziehung. In der Aufstellung fühlt es sich dann vielleicht sogar ganz natürlich an, wenn das Paar dem Dritten dankt für seine Hilfe.

J – wie Ja!

Kein Leben ist ohne Schwierigkeiten zu haben. Schwierige Umstände in der Kindheit, eine schwere Krankheit oder Behinderung, eine schmerzhaft in die Brüche gegangene Beziehung, ungewollte Kinderlosigkeit oder Kinder, zu denen man trotz aller Bemühungen keine gute Verbindung bekommen kann, der Tod eines geliebten Menschen... „Jeder hat sein Päckchen zu tragen“, wie der Volksmund sagt.
Das Familienstellen kann viele dieser Päckchen durch seine transformierende Kraft leichter machen, manchmal sogar auflösen – aber nicht immer. Wenn das Schicksal nicht zu wenden ist, dann hilft es, sich ihm in seiner ganzen Schwere und Größe zu stellen und zuzustimmen. Ja zu sagen zum Leben, so unvollkommen es auch ist, zu den Eltern, soviel auch gefehlt und geschmerzt haben mag, zu den Kindern oder dem Partner so wie sie sind, zu einer gesundheitlichen Einschränkung oder gar dem nahenden Tod... Dieses Ja, das Einverstandensein mit dem was ist, gibt Kraft und öffnet viele Möglichkeiten.

K – wie Krankheit

Wenn Menschen Familienstellen wagen, haben sie oft einen langen Weg der Suche oder des Leidens hinter sich. Manche von ihnen haben eine schwere Krankheit. Während ihrer Aufstellung kann man die Krankheit wie eine Person ins Feld stellen und erhält erstaunliche Informationen. Oft stehen die Krankheit und die/ der Kranke in einem engen Verhältnis zueinander, macht es sogar den Anschein, als ob die Krankheit „ihrem Menschen“ helfen will – sie ersetzt ihm z.B. einen verlorenen Menschen, schützt vor Alleinsein oder Gefahr, gibt Halt oder verbindet ihn mit einem Ahnen...
Diese Rolle zu sehen und den Dienst der zuvor vielleicht so verhassten Krankheit zu erleben, kann zu einer ganz neuen, heilsamen Einstellung der/ des Kranken führen. Zusätzlich kann sich während der Aufstellung das System so bewegen, dass die Krankheit sich – sichtbar in der Aufstellung und später auch im Leben – zurückziehen kann.

L – wie Lebenskraft

In einigen großen alternativmedizinischen Richtungen arbeitet man mit dem Begriff einer dem Menschen innewohnenden vitalen Kraft - z.B. der „Lebenskraft“ in der Homöopathie oder dem „Chi“ in der Chinesischen Medizin.
Es geht hier mit den verschiedenen Methoden immer darum, Störungen und Blockaden dieser vitalen Kraft, die zu Krankheit und Leid führen, aufzulösen, damit sie frei und ungehindert fließen kann und dadurch Körper und Seele des Menschen in Harmonie und Gesundheit bringt.
Beim Familienstellen empfinde ich es genau so - es geht darum, den Menschen von den Verstrickungen und Belastungen aus dem Herkunftssystem und der eigenen Vergangenheit zu entlasten, seine Lebenskraft also zu befreien, damit er an seinem Platz ganz er selber werden kann.

M – wie Mutter

Von allen Beziehungen, die wir im Lauf des Lebens eingehen, ist die zur eigenen Mutter die primäre und damit die bestimmende, prägendste. Alle späteren Beziehungen bauen auf dieser Urerfahrung auf, mag diese Beziehung eng und nährend oder verunsichernd, defizitär gewesen sein...
Besonders in Partnerschaften suchen Männer und Frauen unbewußt immer auch die eigene Mutter, um z.B. etwas Wunderbares zu wiederholen oder - viel häufiger - etwas Fehlendes endlich doch noch zu bekommen, und das macht Paarbeziehungen manchmal so schwierig...
Die primäre Beziehung wird dabei meist in einer bestimmten Variation unbewußt wiederholt. Wenn die Beziehung zur Mutter, wie im Familienstellen möglich, in den Blick kommen und gefühlt werden kann, wird die Paarbeziehung von diesem unsichtbaren Einfluss freier, und die Partner können sich mehr als die Erwachsenen begegnen, die sie sind.

N – wie nicht Geborene

Wenn ein Kind nicht zur Welt gekommen ist – sei es durch eine Fehlgeburt oder einen Schwangerschaftsabbruch – ist der Verlust für die Eltern oft schwer in seiner ganzen Größe zu fühlen. Oft wehren Schuldgefühle und Vorwürfe den Schmerz ab, ein schnelles Vergessen und Weitergehen scheint die beste Lösung, wo doch ohnehin nichts daran zu ändern ist...
Manchmal zeigt später eines der nachfolgenden Kinder merkwürdige Verhaltensweisen, weil es unbewußt diesen blinden Fleck in der Familie spürt und auf ihn reagiert – mit Unruhe, unsicherer Bindung, körperlichen Symptomen o.ä. Es scheint vielleicht, als könnte es seinen Platz in der Familie nicht finden. Dann ist es besonders wichtig, dass sich die Eltern noch einmal ganz dem ungeborenen Kind zuwenden, den Schmerz bis zu Ende fühlen und dem toten Kind seinen Platz in ihrem Herzen und in der Geschwisterreihe geben.

O – wie Organisationsaufstellungen

In Unternehmen und Teams gelten ähnliche Gesetze wie in Familien, in ihnen geht es genauso darum, dass jeder, der dazugehört, seinen richtigen, passenden Platz haben muss, damit das ganze System erfolgreich sein kann. So wie in einem Puzzle erst das ganze Bild entsteht, wenn alle Teile richtig gelegt sind. Hier wird jedoch die richtige Reihenfolge nicht durch den Zeitpunkt der Geburt, sondern durch den des Eintritts ins Team bestimmt, und der Platz wird zusätzlich massgeblich durch die Hierarchie der bestehenden Aufgaben bestimmt. So kann es vielleicht vorkommen, dass ein zuletzt dazugekommener, vielleicht ganz junger Mensch gleichzeitig als Chef in eine obere Leitungsstelle gesetzt wird – eine knifflige, aber lösbare Aufgabe...
Oft sieht man auch, dass Verwirrungen, die Einzelne aus ihren Herkunftsfamilien mitbringen, auf das berufliche System übertragen werden und dort für Verwirrung sorgen. Aufstellungen können hier helfen, die familiären Verstrickungen sichtbar zu machen, zu lösen und die Arbeitsbeziehungen davon zu befreien.

P – wie Parentifizierung

Wenn Kinder Eltern haben, die aufgrund familiärer Verstrickungen nicht ausreichend erwachsen werden konnten, übernehmen sie oft die Rolle der Eltern, der Verantwortlichen. Sie füllen damit unbewusst das seelisch wahrgenommene Loch in der Familie und  verzichten zu ihrem eigenen Schaden auf ihre Kindheit, auf das Kleinsein und auf ihre Eltern.
Wenn diese Dynamik nicht ganz bewusst aufgedeckt und gestoppt wird, so wie es im Familienstellen und begleitender Arbeit möglich ist, wird sie in der Regel weitergegeben. Das heißt, wer als Kind für die Eltern groß, stark und verantwortlich war, wird bei den eigenen Kindern klein und bedürftig sein und die Verwirrung der Rollen zieht sich generationenweit fort.

R – wie Respekt

Wenn ein Elternpaar sich trennt, ist das in mehrerer Hinsicht für alle Beteiligten ein schwerer Prozess und meist mit viel Schmerz verbunden. Oft richtet sich die größte Sorge der Erwachsenen auf die Kinder, wahrscheinlich weil alle schon erlebt haben, dass die Trennung der Eltern schlimme Folgen für Kinder haben kann. Was im Familienstellen, aber auch in der Praxis sichtbar wird ist, dass es für Kinder von getrennten Eltern nach dem Durchleben des anfänglichen Schmerzes eine gute Lösung geben kann: wenn die Eltern einander als Mutter oder Vater ihres gemeinsamen Kindes weiterhin achten und schätzen. Ein Kind ist nach der Trennung bei jedem Elternteil gut aufgehoben, der für den anderen Elternteil in seinem Herzen Respekt, Achtung und im besten Fall Dankbarkeit hat.
Trotz aller Verletzung und Enttäuschung nach der Trennung in diesen inneren Zustand zu finden, dabei kann Familienstellen eine große Hilfe sein.

S – wie Scheidung

Trennungen von Liebesbeziehungen sind für jeden der Beteiligten in der Regel sehr schmerzhaft.
Je größer der Einsatz und die Hoffnungen waren umso mehr, und beide Partner müssen oft einen großen Lebenstraum und -plan begraben.
Damit eine Trennung und auch eine Scheidung gelingt, ist es wichtig, dass beide Partner in sich den ganzen Schmerz fühlen und zulassen. Später kann ein dankbarer Blick zurück auf das Gute und die Liebe in dieser Partnerschaft sehr entlastend sein. Wenn man dann bereit ist, seinen Teil der Verantwortung am Scheitern zu tragen und dem andern in seinem Leben und in seinem Herzen einen guten Platz zu geben, ist man frei und kann weitergehen. Dieser Prozess braucht Zeit und läuft natürlich über Monate und Jahre in der Seele ab. Wenn er stagniert, wenn jemand in Schuldzuweisung und Verletzung hängenbleibt, kann Familienstellen helfen, ihn ins Fließen und zum Abschluss zu bringen.

T – wie Tote

In unserem Alltagsleben bewerten wir das Leben sehr hoch, während wir den Tod ablehnen und fürchten.
Im Familienstellen bekommen wir Zugang zu einer weiteren Perspektive. Dort erleben wir, dass in der Familien- Seele Leben oder Tod nur eine untergeordnete Rolle spielen. In den Aufstellungen sehen wir, dass es den Toten meist gut geht, dass sie einverstanden sind mit ihrem Schicksal und uns Lebenden nur das Beste wünschen. Sich in die Arme der zu früh verstorbenen Mutter, des Vaters, den man nie gesehen hat, zu begeben oder das eigene tote Kind zu halten, die Liebe und den Segen der Verstorbenen zu spüren, kann für einen Hinterbliebenen eine große Kraft zum Leben schenken.
Wenn sich Tote in einer Aufstellung unruhig und unzufrieden zeigen, liegt das immer daran, dass etwas Wichtiges nicht gefühlt oder erledigt worden ist. Wenn diese Verstrickung ans Licht kommt und gelöst wird, kann man erleben, wie Ruhe über den Verstorbenen kommt und von ihm Segen und Kraft für die Lebenden auszustrahlen beginnen.

U – wie unterbrochene Hinbewegung

Wenn die innere Bewegung eines Babies oder kleinen Kindes zu seiner Mutter hin nicht möglich ist oder unterbrochen wird – sei es durch eine sehr schwierige Geburt, frühe Trennungen von Mutter und Kind wie Krankenhausaufenthalte oder auch starke innere Abwesenheit der Mutter z.B. durch Krankheit, ist das so überwältigend und lebensbedrohlich für das Kind, dass es sich aus der Bindung zurückzieht und in sich verschließt. Die Sehnsucht nach der Mutter und der Schmerz über ihr unerklärliches Fehlen wandeln sich in Abwehrgefühle – Trotz, Wut, Ablehnung. In der Beziehung zur Mutter bleibt dann meist dauerhaft eine Distanz oder Ambivalenz von Gefühlen bestehen.
Und immer, wenn dieser Mensch später in einer nahen Beziehung auf den anderen zugehen will, erinnert sich etwas in ihm. Sobald die Nähe so groß wird, dass der Schmerz fast fühlbar wird, bewegt er sich unbewusst und ohne es zu wollen weg von dem geliebten Menschen. Eine Kreisbewegung entsteht – Hin, und wieder Zurück, scheinbar aussichtslos.
Im Familienstellen ist es möglich, die vor Jahren unterbrochene Hinbewegung zur Mutter wieder möglich zu machen – und damit auch andere Liebesbeziehungen .
Der Klient muss dabei durch den ganzen Schmerz gehen, der hinter Trotz, Abwehr und Wut versteckt war. Das ist der schwerste emotionale Prozess, den wir in der Aufstellungsarbeit erleben, und zugleich, wenn er gelingt, der lohnendste.

V – wie Verwechslung

Wenn wir einem Menschen in unserem Leben tiefer begegnen, begegnen wir ihm nie ganz frei. Wir tragen das gesamte emotionale Gepäck unseres Lebens mit uns und der andere auch – Erfahrungen, Emotionen, Verletzungen. Darüber hinaus sind in uns auch viele Informationen gespeichert, die aus unserer Herkunftsfamilie stammen, zu denen wir oft selbst keinen Zugang haben.
So kann es passieren, dass wir in dem Anderen jemand sehen, der er gar nicht ist – einen Menschen aus der eigenen Vergangenheit oder aus dem System, zu dem es eine ungeklärte Beziehung gibt.
Im Familienstellen wird diese Doppelbelichtung deutlich. Der, dem die Gefühle eigentlich gelten, kommt ins Bild und die Beziehung zu ihm wird mehr gesehen, gefühlt und im besten Fall geklärt. Dem Menschen in der Gegenwart kann man dann freier und offener begegnen, manchmal scheint es sogar, als sähe man ihn mit ganz neuen Augen.

W – wie Weinen

Die natürliche Reaktion auf Verlust und Schmerz ist Schreien und Weinen. In der westlichen Welt galt der unmittelbare Ausdruck von Gefühlen in den letzten Jahrhunderten als unschicklich und schwach, bevor die Psychotherapie die heilende Wirkung dieses Ausdrückens, die in allen Völkern von altersher bekannt war und regelmäßig rituell provoziert wurde, wiederentdeckte.
Hinzu kommt, dass gerade in den von beiden Weltkriegen betroffenen Ländern den Menschen in sehr kurzer Zeit so unfassbar viel Schweres widerfahren ist, dass die Möglichkeit der Verarbeitung des Schmerzes nicht gegeben war und er so in den einzelnen Betroffenen, aber auch in den Familien ungefühlt und eingeschlossen geblieben ist.
Im Familienstellen fließen viele Tränen, die in der Wirklichkeit nicht fließen konnten. Tränen, die Menschen für ihre Vorfahren oder auch für sich selbst weinen. Das Erstaunliche ist, dass selbst die von Stellvertretern vergossenen Tränen eine deutliche Entspannung und Entladung und damit neue heilsame Bewegungen im Familiensystem möglich machen.

Z – wie Zwilling

Wie man heute weiß. hat mindestens jeder 10. Mensch den Weg ins Leben nicht allein, sondern mit einem Zwillingsgeschwister im Mutterleib begonnen. In den meisten Fällen stirbt dieser Zwillingsembryo, von Eltern und Ärzten unbemerkt, sehr früh ab und wird vom mütterlichen Körper teilweise oder ganz resorbiert. Für den überlebenden Embryo ist das in der Regel eine fundamentale und katastrophale Erfahrung, deren vielfältige Auswirkungen das Leben enorm bestimmen können. Die meisten alleingeborenen Zwillinge sehnen sich ein Leben lang unbewußt nach der exklusiven Nähe, die sie mit dem verlorenen Zwilling erlebt haben, und finden für diese Sehnsucht keine Erfüllung in ihren Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern oder Partnern. Manche scheuen auch Nähe unbewußt, um diese Erfahrung nicht wiederholen zu müssen, andere lassen es sich schlecht gehen, um dem toten Geschwister nah zu sein, uvm. Da in den meisten Fällen die Existenz des Geschwisters vollkommen unbekannt ist, wird auch der Grund für die unangemessenen Gefühle und Verhaltensweisen nicht sichtbar, was das Leid der Betroffenen noch verstärkt.

Im Familienstellen kann man erkennen, wenn ein Mensch diese frühe Erfahrung gemacht hat. Wenn der Zwilling dann ins Bild kommt und umarmt und gefühlt werden darf, fallen manchmal "alle Groschen auf einmal". Ein Mensch, der das tote Geschwister in sein Herz genommen hat, ist freier für sein Leben und für andere Beziehungen, auch wenn diese erste Liebe vielleicht immer die tiefste bleiben wird.